Traum-Fabriken
Von der Simulationstechnik zur Digitalen Fabrik
Überall in der Industrie stricken Planer und Investoren an Konzepten für die „Digitale Fabrik“. Allen voran die großen Automobilbauer. Die Werkzeuge des Digital Manufacturing und hier vor allem die Simulationstechnik ermöglichen den Unternehmen heute die virtuelle Darstellung komplexer Produktions- und Logistik-Landschaften! Die Basis dafür bildet vor allem das Datenmaterial aus ERP-, PDM-, EDM- und CAD-Systemen.
Produzierende Unternehmen stehen zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor gewaltigen Herausforderungen: Einerseits bieten sich aufgrund der rasanten Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnik ungeahnte Chancen, innovative Produkte in hoher Qualität wesentlich schneller als bislang zu entwickeln, zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Auf der anderen Seite steigen jedoch die Investitionsrisiken in einem zunehmend globalen und dynamischen Wettbewerbsumfeld rapide. Um diese Risiken beherrschbar zu machen und die Planungssicherheit zu erhöhen, arbeitet die Industrie derzeit mit Hochdruck an tragfähigen Konzepten für die Digitale Fabrik. In vielen Fällen nutzen sie dabei die Erfahrungen innovativer Dienstleistungs-Unternehmen, wie etwa der SimPlan AG, Maintal.
Zwar ist die digitale bzw. virtuelle Fabrik – also das wirklichkeitsgetreue, integrierte Computermodell eines Produktionssystems bis hinunter zum einzelnen Entwicklungs- und Bearbeitungsschritt – vielfach noch Vision. Doch führende, weltweit agierende Unternehmen der Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie nähern sich diesem Ziel mit Riesenschritten. Dabei müssen sich alle Beteiligten, auch die kleinen und mittelständischen Partner in Wertschöpfungsketten, aktiv in diesen Entwicklungsprozess einklinken, um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können.
Große Ziele
Die Digitale Fabrik bildet sämtliche Logistik- und Fertigungsprozesse ab, die eine (spätere) reale Fabrik kennzeichnen. Sie spiegelt also zu jedem Zeitpunkt – also auch während die reale Fabrik längst läuft – die wirklichen Produktionsabläufe wider. Deshalb gilt: Wer die Digitale Fabrik im Sinn hat, der muss im Großen und Ganzen denken. Der muss die gesamte Logistik einer Produktion, den kompletten Enwicklungs- und Herstellungsprozess eines Produktes und das Zusammenwirken einer Vielzahl verschiedener Funktionseinheiten erfassen. Denn wer die Digitale Fabrik vor Augen hat, der hat meist große Ziele: Entwicklungszeiten straffen und Produktions- und Logistikprozesse schon im Vorfeld der Investitionen durchgängig optimieren, die Planungsarbeiten beschleunigen und Investitionen absichern. Das alles geht nicht ohne die Simulationstechnik.
Modellieren, optimieren, investieren
Die Simulationstechnik hat in den letzten Jahren rechnerbasierte Werkzeuge hervorgebracht, mit denen sich nahezu alle Prozesse modellieren und optimieren lassen – von der Produktentwicklung und der allgemeinen Informationslogistik bis hin zu Materialflüssen und Fertigungsabläufen. Damit können bereits in der Planungsphase ein Fabrikkonzept bis ins Detail evaluiert und Anlaufschwierigkeiten in Prozess- wie Produktentwicklung weitgehend vermieden werden. Im Stadium der laufenden Produktion lassen sich zukünftige Modifikationen im Rechnermodell vorwegnehmen; erst nach Behebung aller in der Simulation aufgetretenen Probleme werden die Prozesse dann in die Realität umgesetzt.
Typische Ziele von Simulationsstudien sind zum Beispiel die Steigerung der Maschinenauslastung, die Verringerung des Ressourcenbedarfs wie Lagerplatz oder ganz allgemein die Optimierung von Steuerungsstrategien. Dirk Wortmann, Vorstandsmitglied der SimPlan AG – einem der führenden Dienstleister auf diesem Gebiet – beschreibt es mit den Worten: „Die Simulationstechnik ist Hilfsmittel in der Planung, Realisierung und im Betrieb eines logistischen Systems. Und als logistische Systeme verstehen wir Fertigungs- und Montageanlagen, Lager, Förderanlagen oder Kombinationen dieser Elemente, wie man sie überall in der Industrie findet: in Fabriken und Werkstätten ebenso wie in Distributionszentren oder Flughäfen.“
Simulation ist laut VDI „das Nachbilden eines dynamischen Prozesses in einem System mit Hilfe eines experimentierfähigen Modells, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind“ (VDI-Richtlinie 3633). Was in dieser lapidaren Definition so schlüssig und einfach klingt, ist in der Umsetzung allerdings eine schwierige Arbeit, die mit erheblichem Aufwand an Kosten und Personal verbunden ist und große Konzentration von allen Beteiligten erfordert.
„Die Datenerhebung für die Modellierung von Simulations-Szenarien hat sich dabei als der aufwändigste Posten erwiesen“, weiß Sven Spieckermann, ebenfalls im Vorstand der SimPlan AG, zu berichten. Die beste Grundlage für die Simulation sind elektronisch verfügbare Daten über den zu simulierenden Prozess, etwa aus CAD-, EDM-, PDM-, BDE- oder ERP-Systemen. Die Datenanforderungen der „Simulanten“ macht häufig klar, welche Defizite die Datenverarbeitung in den Unternehmen noch aufweist. Nur selten sind alle erforderlichen Daten in DV-Systemen verfügbar; vielfach müssen sie aufwändig erhoben werden. „Dabei handelt es sich bei den für die Simulation benötigten Daten meist um Informationen, die nicht allein für die Simulation von Interesse sind, sondern nach der Erhebung zu den bekannten ‚Aha‘-Effekten bei allen Beteiligten führen“, erläutert Sven Spieckermann.
Aufgrund des umfangreichen Datenbedarfs und des entsprechend hohen Aufwands droht die Gefahr, dass erfolgreich eingesetzte Simulationstechniken zwar die Qualität der Planungsergebnisse erhöhen, einen laufenden Planungsprozess aber verlangsamen. Den Kern der virtuellen Fabrik bildet deshalb die sogenannte Prozess-/Planungsdatenbank, die sicherstellt, dass alle am Planungsprozess Beteiligten jederzeit schnell auf die aktuellen Daten zugreifen können. Erst eine solche Datenbank gewährleistet auch, dass die digitale Fabrik zu jedem Zeitpunkt auf konsistenten Daten basiert und somit ein getreues Abbild der realen Fabrik darstellt.
Bei der Entscheidung über die Detailtreue der Simulation gilt die Faustregel: so genau wie nötig (im Sinne des Optimierungsziels) und so grob wie möglich (im Sinne der Kosten-Nutzen-Rechnung). Bei entsprechender Datenbasis und Modellierung kann das Simulationssystem dann problemlos in einer Reihe von Iterationsläufen die optimale Lösung ermitteln.
Der Prozess der Produktentstehung
Die virtuelle Produktentwicklung ist ein weiterer Baustein zur Beschleunigung der Entwicklungsprozesse. Innovative Technologien wie etwa das Digital Mock-up (DMU) bilden die Grundlage dafür. Darunter versteht man Systeme zur Montage- und Demontagesimulation, Verfahrenssimulation (Fertigungstechnik) sowie zur Roboter- und Ergonomiesimulation (Arbeitsplatz-Design). „Die virtuelle Fabrik ist eng verzahnt mit der virtuellen Produktentwicklung. Nicht nur, dass sich die Technologien gleichen, auch im Bereich der Daten ist eine signifikante Überdeckung festzustellen. Die organisatorische Trennung von Produkt- und Produktionsentwicklung in den meisten Unternehmen stellt deshalb auch die virtuellen Technologien vor eine große Herausforderung“, erläutert Dirk Wortmann den Zusammenhang zwischen virtuellem Produkt und virtueller Fabrik.
Die entscheidenden Fragen auf dem Weg in die schöne neue Welt der virtuellen Produktion lauten für jedes Unternehmen ähnlich: Welcher Weg soll eingeschlagen werden? Wie viel und welche Simulationstechnik brauchen wir? Rechnet sich die Investition? Um hier die richtigen Antworten zu erhalten, empfiehlt es sich grundsätzlich, einen unabhängigen Berater hinzuzuziehen. Das gilt vor allem dann, wenn noch keinerlei praktische Erfahrungen mit dem Werkzeug Simulation vorliegen. Ein kompetenter Berater kann in der Regel rasch beurteilen, ob die Simulationstechnik für die anstehende Aufgabe das geeignete Mittel ist. Des weiteren kann er dem Unternehmen Entscheidungshilfen bei der Frage geben, ob es besser betriebsinterne Simulations-Kapazitäten aufbauen oder einen externen Dienstleister beauftragen soll. Bei den Entscheidungen über eigene Hard- und Software-Investitionen muss im Dialog mit dem Berater möglichst schnell das notwendige Know-how im Unternehmen aufgebaut werden. Das Hauptkriterium zur Auswahl des richtigen Partners sind dagegen die Erfahrungen des Dienstleisters in spezifischen Bereichen oder Branchen (Referenzen).
Macht sich Simulation bezahlt?
Was schließlich das finanzielle Ergebnis einer Simulation betrifft, so lässt sich dieses im Vorfeld nur schwer abschätzen. Schließlich treten das Optimierungspotential oder eventuelle Planungsfehler erst nach Durchführung einer Simulationsstudie zu Tage. Einige Anhaltspunkte gibt es dennoch. Nach der bereits zitierten VDI-Richtlinie zum Beispiel ist der Aufwand einer Simulationsstudie mit durchschnittlich 0,5 Prozent und der Nutzen mit 2,0 bis 4,0 Prozent der gesamten Investitionssumme eines Projekts zu veranschlagen. Nach Angaben aus der Automobilindustrie ist bei sehr teuren Systemelementen sogar ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:10 bis 1:100 durchaus realistisch. Und Simplan-Vorstand Sven Spieckermann weiß aus jahrelanger Projektarbeit mit namhaften Automobil-Unternehmen, dass „sich der Nutzen der Simulation nur selten in Geld ausdrücken lässt. Die Nebeneffekte eines Simulationsprojekts aber häufig weit über das gesteckte Ziel hinaus Nutzen generieren. Sei es, weil Wege zur Behebung der Defizite im Datenmanagement aufgezeigt wurden oder sich allein aus der globalen Sicht auf Produktionsprozesse wichtige Handlungsdirektiven für die Praxis ableiten ließen.“
Fazit: Die Digitale Fabrik ist eine große Chance, die es zu nutzen gilt! Der Weg dorthin führt aber in der Praxis meist über die intensive Zusammenarbeit mit externen Spezialisten. Es gibt viel zu tun, packen Sie es an!