Neubau Zentralklinikum Lörrach

Neubau Zentralklinikum Lörrach

Im Jahr 2025 wird in Lörrach im südlichsten Südwesten Deutschlands ein Gesundheitscampus mit stationären, teilstationären und ambulanten Versorgungsangeboten in Betrieb gehen. Unter dem Dach des Zentralklinikums werden die drei bisherigen Standorte der Kliniken des Landkreises Lörrach und deren Tochtergesellschaft, das St. Elisabethen-Krankenhaus, fusioniert.

Damit werden letzte, noch vorhandene Mehrfachstrukturen abgebaut und medizinische Kompetenzen in einem Zentrum gebündelt, ganz im Sinne des Krankenhausstrukturfonds und der konsequenten Fortführung des „Lörracher Weges“, in dessen Zuge man bereits in den Jahren 1994 bis 2006 Leistungen konzentriert und medizinische Doppelvorhaltungen abgebaut hatte. Neben dem Zentralklinikum mit 685 somatischen Betten werden auf dem Campus unter anderem ein Zentrum für seelische Gesundheit mit 145 psychiatrischen Betten, ein interdisziplinäres Ärztehaus und ein Gesundheitskaufhaus entstehen.

Der komplexe Planungsprozess erforderte vielfältige und differenzierte Entscheidungen, um ein zukunftsfähiges Krankenhauskonzept zu entwickeln. Folgende Themenschwerpunkte waren dabei grundlegend zu bearbeiten:

  • Das zukünftige Leistungsangebot:
    • Welche (zusätzlichen) Leistungen sind für die Versorgung der Bevölkerung des Landkreises perspektivisch sinnvoll und notwendig?
    •  Werden Leistungen perspektivisch entfallen oder durch neuere Verfahren abgelöst?
  • Die Anforderungen der unterschiedlichen Nutzergruppen an die Einrichtung „Zentralklinikum“:
    • Welche Serviceelemente werden zukünftig von Patienten nachgefragt, wie lassen sich die entsprechenden Prozesse auf die Bedürfnisse der Patienten zuschneiden?
    • Welche Maßnahmen können im hart umkämpften Fachkräftemarkt die Arbeitgeberattraktivität steigern?
  • Finanzierungsmöglichkeiten und Sicherstellung des wirtschaftlichen Betriebs:
    • Wie sind die zukünftigen Behandlungs- und Unterstützungsprozesse zu gestalten, um räumliche, apparative und personelle Kapazitäten möglichst effektiv nutzen zu können und eine wirtschaftliche Tragfähigkeit des Betriebs sicherzustellen?
    • Welche Kosten sind einzuplanen und welche Möglichkeiten der Finanzierung sind gegeben?

Ausgehend von der strategischen Zielplanung erstellten die Berater von ANDREE CONSULT, Siegburg, eine Kapazitätsplanung, die den wesentlichen Bedarf an Funktionsstellen, medizin-technischen Geräten und Räumen in dem Raum- und Funktionsprogramm abbildete. Darauf aufbauend wurden zukunftsfähige differenzierte Betriebskonzepte für alle Organisationseinheiten des Zentralklinikums entwickelt und in einer betriebsorganisatorischen Kapazitätsplanung zusammengeführt.

Über die gesamte Planungsphase hinweg setzten die Entscheidungsträger auf die enge Einbindung der Expertise der eigenen Mitarbeiter. So wurden durch den Projektleiter Thorsten Stolpe regelmäßige Abstimmungsrunden initiiert. Hier wurden alle für die jeweilige Disziplin relevanten Aspekte zusammengetragen und gewichtet, um innerhalb der Nutzersteuerungsgruppe fundierte Entscheidungen herbeizuführen. Hierdurch wurde gleichermaßen eine realitätsnahe Planung der zukünftigen Prozesse sichergestellt und die Mitarbeiteridentifikation mit dem Zielvorhaben gestärkt. Dies ist bei der Zusammenlegung mehrerer, kulturell unterschiedlich geprägter Kliniken von entscheidender Bedeutung für den Projekterfolg. Transparente Planung schafft Vertrauen.

Bei der Evaluierung der Raumbedarfsplanung kam erstmals in diesem Projekt das moderne Managementtool der dynamischen Simulation zum Einsatz. Für das neu zu planende Funktionsgeschoss des Zentralklinikums, in dem perspektivisch die ambulante Versorgung (Notfallversorgung und Elektivambulanzen) konzentriert wird, wurde dieses Instrument des Dienstleisters der SimPlanAG, Hanau, eingesetzt. Die Simulationssoftware visualisierte die zukünftigen Prozesse in der Notaufnahme, bzw. im elektiven Zentrum. Die Grenzen der im Vorfeld erbrachten, rein auf Durchschnittswerte der Vergangenheit bezogenen (statischen) Berechnungen, wurden durch die technische Simulation aufgehoben. Eine virtuelle Darstellung unterschiedlicher Szenarien mit Ableitung der ökonomischen Konsequenzen ist einfach möglich. In der Industrie, insbesondere im Zusammenhang mit logistischen Fragestellungen, wird dieses Managementtool bereits flächendeckend eingesetzt. Im Gesundheitsbereich kommt es zunehmend zur Anwendung, vor allem im Rahmen kompletter Neu-/Umbaumaßnahmen. Jedoch auch bei komplexeren Reorganisationsvorhaben oder zur Aufdeckung von Optimierungspotenzialen in Bezug auf Kapazitätsauslastung oder Wegeführung kann es wertvolle Unterstützung bieten und kostenintensive Fehlentscheidungen vermeiden helfen.

Eine grundlegende Fragestellung für das Zentralklinikum Lörrach waren die erforderlichen Raumkapazitäten für die Zentrale Notfallambulanz und die Elektivambulanzen (GKV/PKV), zumal es sich dabei um Flächen mit einem geringen Förderanteil handelt. Auf Basis der betriebsorganisatorischen Kapazitätsplanung und der zugrundeliegenden Berechnungen wurden folgende Parameter bestimmt:

  • Für Zentrale Notfallambulanz:
    • Anzahl der Notfallkontakte liegend und gehfähig
    • Prozesszeiten pro Kontakt (Anmeldung, Triage, Untersuchung/Behandlung, erweiterte Diagnostik, weiterführende Untersuchung/Behandlung, Warten auf Verbringung)
    • Medizinische Anforderungen (überwachungspflichtig, sauerstoffpflichtig)
    • Anzahl verfügbarer Räume: U-/B-Räume, Schockräume, Triageplätze, Liegend-Warteplätze und Anmeldeplätze
  • Für die Elektivzentren:
    • Anzahl der Kontakte der einzelnen Sprechstunden
    • Prozesszeiten pro Kontakt (Anmeldung, Vorbereitung, Behandlung/Untersuchung, Nachbereitung, Wechselzeit, Abmeldung)
    • Spezialanforderung an Raum (z. B. gynäkologischer Stuhl, Besuch Privatambulanz)
    • Zeitliche Lage einzelner Sprechstunden
    • Anzahl verfügbarer Räume und Anmeldeplätze

Darüber hinaus wurden die Prozessketten für beide Zentren (entsprechend des Patientenwegs von der Anmeldung bis zum Verlassen des Gebäudes) anhand von Workflows definiert, die im Simulationsmodell abgebildet wurden. Welche Fragestellungen als Ergebnis der Simulation durch entsprechende Auswertungen zu beantworten waren, wurde vorab definiert. Neben den notwendigen Parametern wurden auch die Grundrisse aus der Planung übernommen. Dadurch konnten sich alle Beteiligten sehr leicht in der Visualisierung wiederfinden. Nach einer kurzen Schulung konnten im weiteren Planungsverlauf in den Nutzergesprächen alle Parameter variiert werden – eine Simulation mit neuen Parametern dauert nur wenige Minuten – und damit unterschiedliche Szenarien analysiert werden. Ursache-Wirkungs-Beziehungen waren anschaulich darstellbar, die gewonnen Erkenntnisse konnten anschließend sehr einfach in den Planungsprozess übernommen werden.

Im Ergebnis standen den Projektbeteiligten folgende Informationen zur Verfügung:

  • Notfallversorgung:
    • Auslastung der U-/B-Räume, Triageplätze, Liegend-Warteplätze und Anmeldeplätze im 24h/7d-Verlauf
    • Patientenströme in Richtung weiterführende Diagnostik, bzw. Station
  • Elektivzentren:
    • Auslastung der U-/B-Räume und der Anmeldeplätze im 12h/5d-Verlauf (separat für GKV-/PKV-Bereich)
    • Anteil der Prozesszeiten im 12h-Verlauf (Vor-/Nachbereitung, Behandlung, Warten)

Um Schwankungen bei der Nutzung der Ressourcen möglichst realitätsnah abzubilden, berücksichtigte die Simulation neben Durchschnittswerten auch Minimal- und Maximalwerte für die Prozessschritte, die zuvor mit den Nutzern definiert und nach durch Zufallsalgorithmen berücksichtigt wurden. So konnten auch außergewöhnliche Belastungen wie z.B. die gleichzeitige Behandlungsbedürftigkeit mehrerer dringlicher und schwerverletzter Patienten in die Berechnung einfließen.

Ressourcen bedarfsgerecht planen – Entscheidungen absichern

Die Projektverantwortlichen konnten sich nach erfolgter Simulation davon überzeugen, dass die statisch berechneten räumlichen Untersuchungs- und Behandlungskapazitäten den zukünftigen Bedarf vollumfänglich abdecken werden, aber auch genügend Optionen für Leistungssteigerungen ermöglichen. Dies war insbesondere für die Akzeptanz der Nutzer der zukünftigen interdisziplinären Elektivzentren entscheidend, die bislang in jeweils fachabteilungsspezifischen Ambulanzen quasi hoheitlichen uneingeschränkten Zugriff auf räumliche und apparative Ressourcen hatten und die Umstellung auf eine interdisziplinäre Raumnutzung eher kritisch sahen.

Die Simulation zeigte an anderer Stelle auch Handlungsbedarf auf. Durch eine zeitweise zu geringe personelle Besetzung der Leitstelle in der stationären Patientenaufnahme entstand zu bestimmten Tageszeiten eine Engpasssituation, die zu ungenutzten Raum- und Personalressourcen führte. Die Limitierung der administrativen Ressource führte zu einer Effizienzreduzierung des ärztlichen und assistierenden Personals in den nachfolgenden Untersuchungs- und Behandlungsbereichen.

Durch Einplanung einer zusätzlichen temporären Administrativkraft konnte die Limitierung einfach gelöst werden. Dieser Zusammenhang konnte bei der vorgelagerten statischen Berechnung der Kapazitäten nicht entdeckt werden, da die funktionellen Abläufe der Patientenaufnahme und der Untersuchung/Behandlung unabhängig voneinander betrachtet wurden. Die nachstehenden Grafiken verdeutlichen die Veränderung des Bedarfs an Untersuchungsräumen in Abhängigkeit von der Anzahl administrativer Aufnahmeplätze an der Leitstelle.

Für das Elektivzentrum wurde die Analyse der räumlichen Ressourcen in der Planungsphase um die der personellen Ressourcen (Arztdienst und Assistenz) erweitert. Auch hier konnten Potenziale zur Effizienzsteigerung erkannt werden. Ein Nebeneffekt war unter anderem, dass auch Rückschlüsse auf die Ambulanzorganisation in der Bestandssituation gezogen werden konnten. Anpassungen der Präsenzzeiten des Assistenzpersonals zur optimierten Nutzung der U-/B-Räume waren eine Reorganisationsmaßnahme zur Effizienzsteigerung. Weiterhin kann das Personal zukünftige Prozessabläufe einüben und damit bereits heute der Grundstein für eine erfolgreiche – weil effektive – Organisation im Zentralklinikum gelegt werden.

In der Zeitschrift f&w „Krankenhausplanung“ Ausgabe 11/2019, ist hierzu ebenfalls ein Artikel erschienen:
Zukünftige Prozesse visualisieren und verstehen

Simulationen als sinnvolles Werkzeug für Bedarfsberechnungen in der Krankenhausplanung

Der zeitliche und finanzielle Aufwand zur Durchführung einer Simulation bei der Bedarfsfestlegung im Krankenhausplanungsprozess ist auch nach kritischer Kosten-Nutzen-Analyse grundsätzlich sehr sinnvoll. Die dynamische Simulation hilft bei der objektiven Analyse komplexer Behandlungsprozesse und Strukturen. Fehlende Ressourcen oder organisatorische Defizite im Behandlungsprozess sind leicht zu detektieren. Durch die Variationsmöglichkeit jedes einzelnen Parameters lassen sich entsprechende Maßnahmen einfach implementieren und deren Auswirkungen direkt messen.
Das Heben der Potenziale trägt nicht nur zum unternehmerischen Erfolg bei. Vielmehr lässt sich auch die Behandlungsqualität z.B. durch verkürzte Wartezeiten für den Patienten, deutlich steigern – was letztendlich mittelbar zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit beiträgt. Mittels statischer in der Krankenhausplanung obligater Analysemethoden können diese Erkenntnisse nicht, bzw. nur eingeschränkt gewonnen werden, weil Ursachen- und Wirkungszusammenhänge in aller Regel unberücksichtigt bleiben.

Für die Projektverantwortlichen in Lörrach hat sich die Simulation als Entscheidungshilfe bewährt. Prozessabläufe lassen sich virtuell – im Bestand ohne Störungen der jeweiligen Organisationseinheit – schnell und mit geringem Aufwand simulieren und analysieren. Hierfür sind auch keine besonderen Hard- oder Softwarevoraussetzungen notwendig. Das Tool kann somit sehr unkompliziert in die Planungsroutine integriert werden. Gemeinsam mit den Experten für Krankenhausberatung von ANDREE CONSULT und den Simulationsdienstleistern von SimPlan konnten relevante Erkenntnisse in Bezug auf den zukünftigen Raum- und Personalbedarf und damit letztendlich auf den finanziellen Bedarf in Bau und Betrieb des Zentralklinikums bereits im frühen Planungsprozess gewonnen werden.

Der Geschäftsführer der Kreiskliniken Lörrach, Armin Müller, ist vom Nutzen der Simulation dermaßen überzeugt, dass er sich dessen Einsatz bereits im Zuge der strukturellen Krankenhausplanung wünschen würde. Entscheidungen in Bezug auf Bedarfsplanung würden damit evidenzbasiert. Für den bisherigen Planungsprozess hat sich der Einsatz mehrfach gelohnt. Die Projektverantwortlichen werden das Tool im weiteren Planungsprozess auch für andere Fragestellungen wie z.B. für die Kapazitätsberechnung der AEMP oder für die Betriebsorganisation in der peri-operativen Einheit einsetzen.

Simulieren Sie selbst die Abläufe in einem Krankenhaus

Gemeinsam mit der ENDERA-Gruppe haben wir ein prototypisches Simulationsmodell entwickelt, welches wir Ihnen zum „Selbst-Erleben“ kostenlos zur Verfügung stellen. Dabei handelt es sich um einen idealisierten Ablauf in einem Modell, in dem Sie in der Lage sind, verschiedene Parameter Ihrer Klinik einzugeben, um die Auswirkungen auf wichtige Prozessindikatoren (Raum und Personal) selbst zu erleben.

Dieses „Selbst-Erleben“ ermöglicht es Ihnen, einen ersten Einblick in die Funktion und den Nutzen eines Simulationsmodells zu erfahren. Trotz dieser abstrakten Modellierung können Sie die Auswertungen mit Ihren klinikindividuellen Gegebenheiten vergleichen.

Lesen Sie mehr über unser Beispielmodell für die Simulation einer Zentralen Notaufnahme und eines Elektivzentrums!

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